Wenn ungefähr 200 Menschen zusammen auf der Bühne stehen, liegt das an einer Idee, die Julia Reidenbach 2011 in die Tat umsetzte. Sie erzählte damals den Kindern der Chor-AG an der Egbert-Grundschule in Trier-Ost, dass sie an einer Schule in Trier-West, einem sozialen Brennpunkt, arbeite.
Vorbehalte wurden geäußert. „Zwei Welten“ trafen aufeinander – Kinder und Jugendliche, die nichts voneinander wussten. Schließlich liegt die eine Schule auf der einen Seite und die andere Schule auf der gegenüberliegenden Seite der Mosel – getrennt durch eine Brücke.
Sie beschloss diese Chöre in einem Projekt zu vereinen.
Dieses Vorhaben ist so gewachsen, dass Julia Reidenbach anregte, einen Verein, den „Chor über Brücken e.V.“ zu gründen.
Dieser hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kinder ganz unterschiedlicher Herkunft, Religion und sozialem Hintergrund über den Weg der Musik miteinander zu verbinden und eine Umgebung zu schaffen, in der sich die Kinder offen und tolerant begegnen.
Durch diese Vereinsgründung haben nun alle Kinder und Jugendlichen in Trier die Möglichkeit einer Chorteilhabe, wobei vor allem Kinder und Jugendlichen, die in einer Risikolage (2) aufwachsen oder aufgrund anderer Besonderheiten (z.B. gesundheitlicher Einschränkungen, individueller Probleme oder Schicksalsschlägen) von der Chorteilnahme in besonderem Maße profitieren, angesprochen werden sollen. Der Verein finanziert sich zum Teil über Mitgliedsbeiträge derer, die es sich leisten können, und zum anderen Teil über Spenden und Stiftungsgelder. Der CüB hat inzwischen knapp 300 aktive Mitglieder.
Es gibt neben den Schulgruppen 6 weitere Gruppen mit Mitgliedern im Alter ab drei Jahren (Zwerge, Minis, Mittlere, Große, Jugendensemble, Erwachsene).
Hierdurch wird sowohl eine Nachhaltigkeit des Angebots (einige Chorkinder sind tatsächlich von Anfang an dabei und inzwischen im Jugendensemble) als auch die Einbindung der Familien und des sozialen Umfelds ermöglicht, da im Erwachsenenchor vor allem Eltern und Lehrerinnen mitsingen. Neben dem Element des Chors geht es darum, über den Weg der Musik Grenzen zu überwinden, Horizonte zu erweitern und gesellschaftliche sowie kulturelle Teilhabe zu ermöglichen.
Zusätzlich zu wöchentlichen Chorproben und großen Konzerten finden deshalb regelmäßig gemeinsame Aktivitäten statt, wie der Besuch kultureller Veranstaltungen, die Durchführung von Chorfreizeiten u.a., die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken.
Aus dieser Verknüpfung von kultureller Arbeit (Chor) und gemeinsamen Erlebnissen und Erfahrungen (Besuch von kulturellen Veranstaltungen, Freizeiten usw.) ist ein emotionaler Zusammenhalt und eine starke Vertrauensbasis entstanden, wodurch sich viele Kinder, Jugendliche und auch die Familien mit ganz unterschiedlichen Belangen dem Chorteam öffnen und um Unterstützung bitten.
Aus diesem Grund haben wir in den letzten Jahren unsere soziale Arbeit neben der musikalischen Arbeit weiter ausgebaut und sind inzwischen Anlauf-und Beratungsstelle für viele private und schulische Belange.
Um diesen Bedarf bestmöglich auffangen zu können, arbeitet die Diplompädagogin Karoline Schulz seit Mitte 2020 fest im Team des CüB.
Die Teilhabe am Singen im Chor, die Teilnahme an Chorfreizeiten und kulturellen Veranstaltungen ist für diejenigen, die es sich sonst kaum leisten könnten, kostenlos.
Diese lebt auch von einem freiwilligen Unterstützungssystem. So können Eltern vor Chorfreizeiten, oder vor kulturellen Unternehmungen durch ein einfaches ankreuzen entscheiden, ob sie die Kosten für ihr Kind selber tragen können, sich in der finanziellen Lage sehen, einmalig die Kosten für ein weiteres Kind, welches sich die Freizeit sonst nicht leisten könnte, zu übernehmen, oder ob der Chor die Kosten tragen soll.
Im Chor über Brücken stehen Lebensfreude und eine um sich gegenseitig kümmernde Gemeinschaft im Mittelpunkt.
Das spüren auch die Zuschauer*innen bei unseren Konzerten 🙂
1 Nachfolgend CüB abgekürzt 2 Hiermit beziehen wir uns auf die 2016 vom Nationalen Bildungsbericht definierten Risikolagen. Diese werden untergliedert in die soziale Risikolage (Erwerbslosigkeit der im Haushalt lebenden Eltern), die finanzielle Risikolage (geringes Familieneinkommen) und die bildungsbezogene Risikolage (Eltern sind z.B. formal gering qualifiziert)